Entstehung & Geschichte
»Die Wiege« – heilpädagogisches Heim für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit Behinderung – blickt auf ihr 50-jähriges Bestehen zurück. Im Jahr 1966 unter bescheidenen Bedingungen gestartet, bietet das Haus heute in fünf Wohngruppen – verteilt auf vier Gebäude – Platz für 38 behinderte Kinder und Jugendliche. Ein 90-köpfiges engagiertes und hochmotiviertes Team stellt eine liebevolle Rundum-Versorgung nach modernsten medizinischen, therapeutischen und pädagogischen Standards sicher.


wiege-Gründerin Elisabeth in einem Brief an ihre Schwester in den 1960ern:
„Meine Zeit reicht nie aus, ich werde sicher nie eine perfekte Hausfrau, doch was soll‘s, man muss ja schließlich nebenbei auch noch Brötchen verdienen.“
Im August 1966 gründete die Kinderkrankenschwester Elisabeth Bitzer in einem Wohnhaus in Odelzhausen ein privates Säuglingsheim und nannte es »Die Wiege«. Auf der Suche nach einem geeigneten Gebäude für die Verwirklichung ihrer Lebenstraumes war die damals 29-jährige alleinerziehende Mutter von zwei Kindern im Landkreis Dachau fündig geworden.
Am Anfang waren es 13 Babys – unter ihnen drei mit einer Behinderung –, die in dem neuen Heim betreut wurden. Aufgenommen wurden Säuglinge und Kleinkinder bis zum vierten Lebensjahr. Sie blieben nur kurze Zeit in der »Wiege« und wurden – sofern sie nicht in ihre eigenen Familien zurück kehren konnten – in Pflege- und Adoptivfamilien vermittelt.

wiege-Gründerin Elisabeth in einem Brief an ihre Schwester in den 1960ern:
„Meine wiege schaukelt immer noch leer. Doch ich mach mir keine Sorgen, es muss ganz einfach klappen.“
Bereits zwei Jahre nach seiner Gründung, 1968, wurde das Säuglingsheim in ein Heim für geistig und körperlich behinderte Säuglinge und Kleinkinder umgewandelt. 1969 sind es schon 25 Kinder, die in der »Wiege« ein Zuhause auf Zeit finden. Doch im März 1973 verunglückt Elisabeth Barth – sie ist erst seit einem halben Jahr mit dem Verlagsbuchhändler Siegfried Barth verheiratet – auf der Autofahrt vom Schwimmbad zurück zur »Wiege« tödlich.
Der Fortbestand des Kinderheimes ist nach diesem Schicksalsschlag zunächst ungewiss. Elisabeth Barths Ehemann Siegfried übernimmt die Geschäftsführung, die Heimleitung teilen sich die Kinderkrankenschwestern Anni und Christine. Die »Wiege« ist gerettet.

wiege-Gründerin Elisabeth in einem Brief an ihre Schwester in den 1960ern:
„Ich hatte gestern Nachmittag frei und war am Abend in München zum Boxen."
Die Einstellung der Gesellschaft gegenüber Behinderten ändert sich in den Folgejahren grundlegend: behinderte Kinder werden nicht mehr als »unbeschulbar« angesehen – auch für sie gilt – wenn auch mit Einschränkungen – die allgemeine Schulpflicht. Nachdem die Aufsichtsbehörden eine Verweildauer der Kinder in der »Wiege« bis zum Beginn der Schulpflicht genehmigt haben, werden 1979 bereits 40 Kinder bis acht Jahre betreut. Gleichzeitig wird die Platznot immer größer. Nach und nach können neue Räume und Gebäude in der Nachbarschaft angemietet und nach den Bedürfnissen der behinderten Kinder und Jugendlichen umgebaut werden. Im Oktober 1982 beginnt eine enge, bis heute andauernde Kooperation mit der privaten Johannes-Neuhäusler-Schule in Schönbrunn. Im Oktober 1983 übernimmt Herbert Preiß die Heimleitung. 1984 wird die »Wiege« von der Regierung von Oberbayern als »Heilpädagogisches Heim für geistig und mehrfach behinderte Kinder« anerkannt. Dadurch wird es möglich, den Kindern und Jugendlichen noch mehr individuelle Förderung und gezielte Therapien zukommen zu lassen. Im gleichen Jahr wird das Endalter auf 14 Jahre erhöht. Im November 1988 kommt Monika Barth, die Tochter der Gründerin Elisabeth Barth, in die »Wiege«. Die gelernte Kinderkrankenschwester beginnt ihre Tätigkeit im Gruppendienst und übernimmt bereits im Februar 1989 – nach dem plötzlichen Tod ihres Vaters – die Geschäftsführung und im Jahr 1997 schließlich auch die Heimleitung. Mit der Heilpädagogin Gerti Gangl und der Psychologin Maria Mertel stehen Monika Barth zwei »Pionierinnen« zur Seite, die an der Schwelle zum 21. Jahrhundert wahre Aufbauarbeit leisten. Sie haben die Philosophie der »Wiege« unter dem heute allgemein anerkannten Gesichtspunkt ganzheitlichen Arbeitens entwickelt und geprägt. Parallel dazu hat sich die 51-Jährige zur staatlich anerkannten Heilpädagogin und zur Beziehungstherapeutin fortgebildet.
Ab 1996 ist die »Wiege« ein heilpädagogisches Heim für schwerst-mehrfach behinderte Kinder bis zu einem Alter von 14 Jahren. 1998 wurde das Endalter noch einmal angehoben: bis zum Ende der Schulpflicht (21. Lebensjahr) dürfen die Jugendlichen und jungen Erwachsenen jetzt in der »Wiege« bleiben.

Nach und nach entstand am südlichen Ortsrand von Odelzhausen das heutige »Wiege«-Viertel mit insgesamt drei Häusern in der Birken- und Eichenstraße. 2012 starteten die Planungen für ein groß angelegtes Modernisierungsprogramm. In den kommenden fünf Jahren werden alle drei Wiege-Häuser modernisiert und teilweise erweitert. Im Herbst 2015 zog die erste Wohngruppe in den vormaligen Katholischen Kindergarten in der Burgfeldstraße, der für die Dauer der Umbauten als Ausweichquartier angemietet wurde. Trotz eines spürbaren Fachkräftemangels in der Heilerziehungspflege ist die Wiege im 50. Jahr ihres Bestehens für die Zukunft personell gut aufgestellt. Die Heimbelegung war in den vergangenen zehn Jahren konstant. Nach den derzeitigen Prognosen sind die Kapazitäten auch weiterhin langfristig ausgelastet und gesichert. Der familiäre Geist, der seit der Gründung 1966 in der Einrichtung herrscht, ist nach wie vor das Fundament einer liebevollen, fürsorglichen Betreuung der schwerst behinderten Kinder und Jugendlichen.
In fünf Gruppen stehen 38 Betreuungsplätze zur Verfügung. Derzeit sind in der Behinderteneinrichtung 90 Personen beschäftig – in Therapie, Verwaltung und Hauswirtschaft. Mit dem Bezirk Oberbayern besteht eine Leistungs- und Vergütungsvereinbarung, die laufenden Kosten werden aus dem Sozialhilfefonds des Bezirkes bestritten.
