ein zuhause für kinder ...

Die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in der wiege

Das Fundament der ganzheitlichen Betreuung und Förderung in der wiege sind die Kinderrechte der UN-Kinderrechtskonvention, welche in Deutschland 1992 ratifiziert wurden und ihren Weg in das Grundgesetz finden sollen. Jedes Konzept, jedes Handeln, jede pädagogische Maßnahme und als allerwichtigstes: Unsere Haltung gegenüber dem Kind und dem Jugendlichen stützt sich auf diese Rechte, die wir tagtäglich in all unserem Handeln umsetzen. Die 10 wichtigsten Kinderrechte hängen in jeder Wohngruppe zentral aus. Um den Bewohner*innen ihre Rechte spürbar zu machen, sie aufzuklären und zu befähigen, diese Rechte auch einzufordern, gehen die Mitarbeiter*innen der wiege, die sich in Ausbildung befinden gemeinsam mit der Erziehungsleitung 3-4 x im Jahr durch die Gruppen und machen die einzelnen Rechte erlebbar. Jeder relevante Standard ist auch in leichter Sprache mit Piktogrammen versehen in dem QM-Ordner der Bewohner*innen, mit dem Vermerk der Beschwerdemöglichkeiten. In dem heilpädagogischen Förderkonzept hat der Bewohner, die Bewohnerin eine zentrale Rolle. Der Arbeitskreis Partizipation trifft sich vierteljährlich, um die Umsetzung in der wiege stetig zu hinterfragen und zu erweitern.

„Das Recht gehört zu werden und sich mitteilen zu dürfen“

Kindern und Jugendlichen mit oder ohne Behinderung muss man keine Stimme geben - sie besitzen diese schon. Es benötigt Eltern, Angehörige, Erzieher*innen, Heilerziehungspfleger*innen, Heilpädagog*innen, Lehrer*innen und so viele mehr, die Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene empowern die eigene Stimme zu erheben und an die Wichtigkeit ihrer eigenen ausgesprochenen Gedanken zu glauben. Eine Stimme zu haben reduziert sich nicht auf das bloße Sprechen. Eine Stimme hat man auch, wenn man mit Augenkontakt, Gebärden, Mimik und Gestik, Atemfrequenz, mit einem Talker, einem Sprachcomputer oder mit Piktogrammen u.v.m. kommuniziert. Für Kinder und Jugendliche mit Behinderung ist es unsere Aufgabe die Vielfalt der Stimme allen erfahrbar zu machen und den richtigen, individuellen Kommunikationskanal zu finden, in den Alltag zu integrieren und dieser Stimme Beachtung, Wichtigkeit und Wertschätzung zu schenken. Ein gutes Beschwerdemanagement für Menschen mit Behinderung ist unerlässlich, in der wiege ist dies für die Bewohner*innen, Mitarbeitende und Angehörige vorhanden.

„Das Recht auf Freizeit, Spiel und Erholung“

Der Tagesablauf der Bewohner*innen in der wiege ist vielseitig und verlangt den Kindern und Jugendlichen einiges ab mit SVE/Schulbesuch, Therapien am Nachmittag und einem konstanten Gruppengefüge. Erholung ist deshalb ein wichtiger Bestandteil des Alltags und wird durch z.B. Mittagspausen und am Nachmittag Möglichkeiten zum gemeinsamen- oder Freispiel auch fest im Tagesgeschehen verankert. Spielmöglichkeiten zu finden für Kinder und Jugendliche mit Behinderung setzt voraus den Bewohner*innen eine Vielzahl an kreativen Angeboten anzubieten, um herauszufinden was ihnen zusagt. Eine weitere Voraussetzung ist die finanzielle Kraft diese speziellen, meist umgebauten und somit als Nischen-Produkte überwiegend sehr teuren Spielgeräte finanzieren zu können. Genau für diese Produkte nutzen wir das wiege-Spendenkonto. Pausen und Leerzeiten selbst zu füllen ist nicht für alle Kinder und Jugendlichen mit Behinderung möglich, deshalb benötigen sie viele Impulse und Beschäftigungsmöglichkeiten. Die Vielfältigkeit wird durch kreative und ideenreiche Mitarbeitende gestellt und die Umsetzung ist vom Gestalten, Basteln, gemeinsamen Kochen, Ausflügen, Wahrnehmungsangeboten und vielem mehr sehr facettenreich. Jeder Bezugsbetreuer, jede Bezugsbetreuerin hat die Gestaltung der Freizeit und Spielemöglichkeiten, aber auch die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben für den jeweiligen Bewohner, die jeweilige Bewohnerin fest im Blick und gemeinsam mit dem Team und der Leitung wird überlegt, welches Angebot passend ist. Tanz- oder Sportverein im Ort? Erlebnispädagogisches Angebot im Hochseilgarten? Schwimmkurs? Besuche im Jugendzentrum des Ortes? Besuch eines Musicals? Alles machbar. Die Leitung der wiege ist bemüht besondere Highlights für die Bewohner*innen ins Haus zu bringen, wie Konzerte oder Theaterstücke, aber auch der Bau eines kleinen Pools für heiße Sommertage, oder spezielle Spielgeräte in den Gärten sorgen dafür Freizeit gestalten zu können und das Tor zur Welt wieder ein Stück zu öffnen.

„Das Recht auf Ausbildung und Information“

Das Recht auf Bildung ist im deutschen Grundgesetz verankert und wird im Schulrecht der jeweiligen Bundesländer spezifiziert. Es ist gültig für jedes Kind, ob mit oder ohne Behinderung. Bildung beginnt nicht erst in der Schule oder endet mit einem Abschluss, sondern ist ein stetig fortlaufender Prozess, um einem Menschen, gleich welchen Alters Exploration und Entwicklung zu ermöglichen. Für Kinder unter drei Jahren gibt es hierfür in der wiege spezielle Angebote am Vormittag, wie Frühfördergruppen oder bestimmte Therapieangebote. Raum sich mit der Umwelt auseinanderzusetzen und diese zu erleben, ist ein besonders großer Teil der frühkindlichen Pädagogik. Mit drei Jahren gehen die Bewohner*innen der wiege in eine Schulvorbereitende Einrichtung, eine besondere Form des Kindergartens. Die Einschulung ist auch für unsere Bewohner*innen ein aufregender Tag, der mit allen dazugehörigen Requisiten, wie Schultüte etc. gefeiert wird. Das Recht auf Information umfasst viel mehr als bloße Wissensweitergabe im schulischen Bereich. Kinder und Jugendliche können gute Entscheidungen treffen, wenn sie alle relevanten Informationen von uns erhalten, davon sind wir überzeugt. Um dies zu gewährleisten, setzen wir in der wiege darauf alle wichtigen Angaben und Erklärungen in leichter Sprache und mit Piktogrammen versehen, an die Bewohner*innen auszugeben.  

Das Recht auf einen eigenen Namen und eine Staatsangehörigkeit

Mit Bedacht wurde von Eltern jeder einzelne Name unserer Bewohner*innen gewählt, vielleicht aufgrund der Erinnerung eines lieben Menschen oder durch die besondere Bedeutung dieses Namens. Wir achten dies und sprechen die Bewohner*innen mit ihrem/seinem Namen oder dem von ihr/ihm gewünschten Spitznamen an. Für uns spielt es keine Rolle, welche Staatsangehörigkeit jemand hat. Die Achtung der Selbigen und deren Kultur schon.

Das Recht auf Schutz vor Missbrauch und Gewalt

Die wiege als sicherer Ort. Dies ist ein Bestreben und ständiger Prozess, verankert in einem sich ständig erweiterndem Schutzkonzept. Schutzkonzept – was ist das?  Ein Schutzkonzept besteht aus den Bausteinen Intervention und Prävention, um Kinder und Jugendliche vor Grenzüberschreitungen, Übergriffen, Gewalt und sexuellem Missbrauch zu behüten. Das Schutzkonzept entfaltet eine Kultur der Grenzachtung um den Schutzraum des Kindes, des Jugendlichen zu vergrößern und das Zuhause zu einem sicheren Ort zu machen. Eine Kultur der Grenzachtung ist geprägt von Achtsamkeit, Respekt, Transparenz und dem Wissen um die eigenen Rechte und die des Gegenübers.

Sie zeigt sich darin:

  • wie Erwachsene mit ihrem und dem Körper von anderen umgehen;
  • wie sie Grenzen spüren, setzen und respektieren;
  • wie sie mit Macht umgehen und dies reflektieren;
  • wie sie mit Geheimnissen umgehen und wie sie Position beziehen, um greifbar und verlässlich zu sein;
  • wie sie Gefühle ansprechen und erlauben,
  • ob sie Betroffenen glauben und helfen können und
  • wie sie beschützen.

In der wiege ist eines schon immer klar:

Konzepte werden nicht dafür gemacht in einem Ordner abgelegt zu sein, sondern müssen gelebt werden. Um dies zu erreichen wurden Unterthemen, wie ein fundamentales sexualpädagogisches Konzept, die Kinderrechte, Partizipation von Bewohnerinnen und Bewohner, ihrem Recht auf Beschwerde, aber auch dem Beschwerdemanagement für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sowie den Erziehungsberechtigten, u.v.m. gemeinsam diskutiert und erarbeitet in Arbeitskreisen, Tagungen, aber auch in Fallbesprechungen oder externen und internen Fortbildungen.

Seit 2017 haben wir mit Amyna e.V. aus München, ein Verein der sich auf die Prävention von sexueller Gewalt von Kindern spezialisiert hat, einen starken Partner an unserer Seite, der auch interne Schulungen aller Mitarbeiter*innen durchführt. Wir durchliefen das Programm „Check it“ von Amyna e.V. 2019 mit Erfolg.

Alle Mitarbeiter*innen, aber auch externe Dienstleister*innen verpflichten sich die erarbeiteten Schutzvereinbarungen umzusetzen. Es gibt einen klar definierten Leitfaden für eine mögliche Verdachtsklärung. Wir können nicht vorhersagen, dass es in unserem Hause niemals zu Grenzüberschreitungen kommen wird. Aber wir können sagen, dass wir alles Menschenmögliche unternommen haben und immer werden, um Täter*innen bei uns keine Chance zu geben.

Das Recht auf eine Familie, elterliche Fürsorge und ein sicheres Zuhause

Entsprechend unserem Leitbild sehen wir uns als Familienunterstützung und als zweites Zuhause, nicht als Familienersatz und stützen somit zu jeder Zeit die Position der Eltern.  Eltern sein, sich um ein Kind kümmern zu dürfen, zu sorgen, es groß zu ziehen, Entscheidungen nach bestem Wissen für es zu treffen und es zu lieben ist ein Privileg, das Eltern zusteht und gleichzeitig Verpflichtung, gleich ob diese Sorgerecht haben oder nicht.  Dies bedeutet, dass wir die Verantwortung, die Eltern für ihr Kind haben, ernst nehmen, schützen und einfordern. Eltern sind zu jeder Zeit die wichtigsten Bezugspersonen, die ihrem Kind über den Aufenthalt in der wiege hinaus emotional zur Seite stehen. Eltern können zu jeder Zeit ihre Kinder in der Einrichtung besuchen und mit nach Hause nehmen. Zu allen Festen eines wiege-Jahres, wie Sommerfest, St.-Martins-Umzug, Fasching etc. laden wir Eltern und Familienangehörige herzlich ein teilzunehmen.  Eine Familie besteht jedoch nicht nur aus Eltern. Auch Geschwister, Großeltern, Tanten und Onkel, Besuchspaten erhalten bei uns einen Platz, wenn sie im Leben des Kindes, des Jugendlichen wichtig sind.

Das Recht auf Gesundheit

Gesund zu sein durch Schmerzfreiheit und dem Ausgleich der Behinderung durch verschiedene Hilfsmittel, wie z.B. einem Rollstuhl, ist essentiell um Lebensqualität zu erleben.  Für eine gute medizinische Versorgung wechseln sich in unserem Hause wöchentliche Visiten durch den Hausarzt/die Hausärztin und der Kinderärztin ab, welche auch den Gesamtüberblick über den Austausch mit den Fachärzt*innen hat. Wir kooperieren mit niedergelassenen Ärzt*innen aller Fachrichtungen, wie Kieferorthopädie, Neurologie, Augenheilkunde u.v.m. In der wiege ist 24 Stunden eine pflegerische Fachkraft (i.d.R. eine Kinderkrankenschwester) verfügbar. Hilfsmittel jeglicher Art, wie Orthesen, Handschienen, Rollstuhl, Gehwagen etc. bekommen wir nach Rezeptierung von unserem kooperierenden Orthopädietechniker.

Psychisches Wohlbefinden ist genauso wichtig wie körperliche Gesundheit, Schmerzfreiheit, nur leider ist ein seelisches Unwohlsein, eine Erkrankung, nicht so deutlich messbar, wie z.B. Schmerz.  Durch kontinuierliche Besprechungen innerhalb der Wohngruppen, psychologische Einzeltherapie und regelmäßige Visiten durch eine Kinder-Psychiaterin der Heckscher-Klinik München, sensibilisieren wir uns dafür mit psychischen Erkrankungen richtig umzugehen und entsprechende Hilfsangebote zu geben.  Alle Mitarbeiter*innen der wiege sind geschult in DEKIM®, ein Deeskalations- und Krisenmanagement bei Menschen mit Intelligenzminderung.

Gesundheit bedeutet auch, ein sauberes und hygienisches Zuhause. Dies erreichen wir durch einen bewussten Umgang und ein ausgezeichnetes Hygienemanagement.

Das Recht auf individuelle Förderung bei Behinderung

Jeder Mensch muss in seiner Einzigartigkeit, seinem Entwicklungs-tempo, -möglichkeit und –interesse wahrgenommen und geachtet werden. Ein großer Pool an Therapieangeboten steht uns zur Verfügung, wie Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie, Seh- und Hörfrühförderung, psychologische Einzeltherapie, Sozialkompetenztraining und heilpädagogische Einzelförderung. Zusätzlich bekommen Bewohner*innen von den Eltern oder anderen Stellen verschiedene Therapien finanziert, welche keine Leistungen der Krankenkassen darstellen, wie z.B. Musiktherapie oder tiergestützte Therapie.  

Das in der wiege angewandte Konzept der Förderpflege, aber auch die spezielle Anbahnung des Schluckens/ Essen, das Teacch-Modell zur Tagesstrukturierung und noch so vieles mehr macht deutlich, wie wir unsere Arbeit verstehen: Als Prozess, der nicht stillsteht sondern sich stetig, auch durch sich selbst, aber vor allem durch die Bedürfnisse der Bewohner*innen und die immer neuen Technologien weiterentwickelt.

Wir scheuen uns nicht davor Neues zu erlernen und unbekannte Wege zu gehen.

Vereint wird dies alles im heilpädagogischen Förderkonzept, aus diesem jedes Jahr ein sehr differenzierter Jahresbericht hervorgeht, gestützt durch einen Beobachtungsbogen angelehnt an ICF-CY und eine Zielformulierung für die kommenden 12 Monate, die im gemeinsamen Gespräch mit Bewohner*in und Eltern/Erziehungsberechtigten besprochen wird.

Das Recht auf Gleichbehandlung und Schutz vor Diskriminierung

Jeder Mensch, gleich welchen Alters, welchem angeborenen oder gewählten Geschlechts, welchem religiösen und/oder kulturellen Hintergrund, unabhängig der Schwere und des Ausmaßes seiner Behinderung hat eine unantastbare Würde, identische Rechte und Anspruch auf Respekt und Achtung. Für dieses Recht treten wir ein und verteidigen dies entschlossen.

Das Recht auf Privatsphäre

Das Recht auf Privatsphäre ist ein Menschenrecht. In einer vollstationären Einrichtung mit Bewohner*innen, welche oftmals eine vollständige Übernahme von pflegerischen Tätigkeiten, also ein Vordringen in intimste Vorgänge benötigen, ist Privatsphäre ein Drahtseilakt, der besonderes Augenmerk erfordert. Grundsätzlich ist unser Bewusstsein, dass unser Arbeitsplatz das Zuhause des Kindes, des Jugendlichen ist, in dem er die Möglichkeit zur Exploration hat, sowie den geschützten Rahmen zur Entfaltung seiner Persönlichkeit und dies als solches zu betrachten und zu respektieren ist. Die Intimsphäre der Bewohnerin, des Bewohners zu schützen ist unsere Aufgabe, auch in baulichen und gestalterischen Gegebenheiten, wie z.B. die Gestaltung der Pflegeplätze mit Blickschutz etc. Die pädagogische Herausforderung liegt in der Vermittlung eines Gefühls für Intimsphäre, der Wahrnehmung und des Schutzes der eigenen Körpergrenzen, vor allem wenn in Pflegesituationen oder medizinischen Notwendigkeiten, wie Blutentnahme, Körpergrenzen und Abwehr übergangen werden müssen. Ein gutes Vorbild zu sein ist hier unerlässlich. Eigene Körpergrenzen kenntlich machen und die Grenzen des Gegenübers verbalisieren und zu achten, ist der tägliche Anspruch an unsere Arbeit. Auch das Ermöglichen von Autonomie und dem Ernstnehmen von Beschwerde und der Aufforderung dazu, signalisiert dem Kind, dem Jugendlichen die Achtung seiner Privatsphäre. Jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter wird dazu angehalten vor dem Betreten eines Zimmers anzuklopfen – gleich ob der sich darin befindende Bewohner/Bewohnerin sich äußern kann, oder nicht. An den Badezimmertüren sind „Stop“-Lichter angebracht, die nach Druck rot leuchten, so dass Grenzen für Bewohner*innen auch sichtbar gemacht werden können.