ein zuhause für kinder ...

wiege Kunstprojekt

Das Künstlerduo 44flavours kooperierte mit uns für ein 200 m² großes Kunstwerk.

Unter der künstlerischen Leitung des Künstlerduos 44flavours (Julio Rölle und Sebastian Bagge) gestalteten die 37 wiege Bewohner*innen und über 80 Mitarbeitende der wiege ein Kunstwerk in einer Größe von über 200 m² auf den Außenwänden des 1966 gegründeten Kinderheims.

Das Kunstprojekt fand an den beiden Standorten des Kinderheims in der Birkenstraße und Burgfeldstraße in Odelzhausen zw. München und Augsburg gelegen statt. Das Ergebnis des partizipativen Projekts sind Fassadenkunstwerke auf einer Gesamtfläche von über 200 m² an den Außenwänden des Kinderheims. Der Hauptstandort mit drei gestaltenden Hausfassaden liegt gut ersichtlich am Ortseingang von Odelzhausen im Landkreis Dachau. Am Standort in der Burgfeldstraße wurde zusätzlich eine Hauswand gestaltet.

Dem Künstlerduo Julio Rölle & Sebastian Bagge, welche seit 2003 unter dem Titel 44flavours zusammenarbeiten, ist es auf eine sehr emphatische, geduldige und liebevolle Art und Weise gelungen den 37 wiege Kindern und Jugendlichen mit Behinderungen an allen Phasen des künstlerischen Schaffungsprozesses teilhaben zu lassen.

Die Formsprache der beiden Künstler wurde mit Hilfe von Lasertechnik in unterschiedlichster Materialität für die Bewohner*innen in einem Collagen-Spiel aufbereitet und so vielseitig und indviduell erlebbar gemacht. Es entstanden dreidimensionale Formen von Bäumen, Vasen, Sternen, Kreisen, Treppen und anderen Objekten im charakteristischen Stil des Künstlerduos aus Materialien wie Spiegelplexiglas, Schaumstoff, Holz, Filz und Folien, welche für die unterschiedlich stark ausgeprägten, sensiblen Wahrnehmungsfähigkeiten der Bewohner*innen hergestellt wurden. Spielerisch konnten die Bewohner*innen die Farb- und Formsprache der Künstler multisensorisch erleben durch Sehen, Tasten, Schmecken und auch Riechen der unterschiedlichen Materialien. So konnten Kommunikationsbarrieren abgebaut werden und bildende Kunst multisensorisch erlebt werden.

Die Anordnung der Spielelemente auf Vorlagen mit Abbildungen der wiege Häuser und deren Umrissen wurden von den wiege Bewohner*innen und Mitarbeitenden interpretiert und in freien Kompositionen aus gelegten Collagen, geklebten Fensterbildern, hängenden Mobiles und weiteren Medien arrangiert. Die Elemente des spielerischen Angebots fanden dann Einzug in die Fassadenmalerei an den wiege Häusern und eine direkte Verknüpfung von dem auf den Wohngruppen spielerisch Erlebten wurde hergestellt.

 

Eine Vielzahl der wiege Bewohner*innen haben großes Interesse gezeigt, auch beim Malern und Pinseln an den Fassadenkunstwerken mitzugestalten. Während andere Bewohner*innen große Ruhe beim Beobachten fanden oder parallel beim eigenen Malen, Skizzieren, Notieren gemeinschaftliche Flow-Momente erlebten.

Das offene Forschungsdesign mit der Leitfrage wie Partizipation bei diversen Graden an Hilfebedarf im Rahmen von künstlerischen Gestaltungsprozessen gelingen kann, hat viel Raum für Spontanität und Flexibilität gelassen. Den Künstlern wurde es so ermöglicht intuitiv auf die Umgebung mit ihren Stimmungen einzugehen. So beeinflussten Interaktionen, welche auf natürliche Weise beim Aufeinandertreffen in der wiege mit den wiege Bewohner*innen aber auch Mitarbeitenden entstanden, sind das Gesamtwerk. Nicht nur die Bewohner*innen konnten viele neue Erfahrungen sammeln und von dem Künstlerduo lernen, sondern die Künstler betonen auch ihre bereichernden Lernerfahrungen aus der Interaktion mit den Bewohner*innen und Pädagoge*innen. Der offene Rahmen des Konzepts hat allen Beteiligten ermöglicht zu jeder Zeit in Interaktion zu treten, spontan und intuitiv aufeinander zu reagieren und das Gesamtwerk dynamisch und natürlich wachsen zu lassen.

Julio Rolle und Sebastian Bagge waren begeistert von der Offenheit und der großen Freude der wiege Bewohner*innen am Mitgestalten und dem großen Engagement, den Mühnen und dem Vertrauen der wiege Mitarbeitenden die Begegnungen zu unterstützen, zu fördern. Die positive Resonanz der wiege auf das Projekt motivierte die beiden Künstler immens.

Dank Julio & Sebastian ist es gelungen im realen, teil-öffentlichen Raum der wiege, neue Räume gestalterisch zu schaffen, zu eröffnen, die viel Futter für imaginäre Räume auftun, beidseitiger Perspektivwechsel erzeugt wird.

 

 

Mit vorbildhafter Strahlkraft haben die beiden Künstler durch ihre Persönlichkeiten und Arbeitsweisen die wiege Bewohner*innen und auch die Mitarbeitenden inspiriert. In der Zwischenzeit ist eine große Malwand für die wiege Bewohner*innen im Garten des 1966 gegründeten Kinderheims entstanden, welche die Kinder und Jugendlichen einlädt selbst großflächig zu gestalten, in ihrem ganz individuellen Stil.

In mehreren, offenen Projektphasen haben die beiden Künstler Julio Rölle und Sebastian Bagge unter Einbezug der Bewohner*innen, Mitarbeitenden & Therapeut*innen des Kinderheims in den letzten Monaten erforscht, wie Teilhabe von den 37 Bewohner*innen mit Behinderungen und deren unterschiedlichen Hilfebedarfen gelingen kann. Aus der Zusammenarbeit zwischen dem heilpädagogischen Kinderheim und dem Künstlerduo ist ein künstlerisches Angebot für die fünf familienorientieren Wohngruppen entstanden. Durch das multisensorische Angebot können die Kinder und Jugendlichen spielerisch ihren gestalterischen Beitrag zum Gesamtkunstwerk leisten. Die Beiträge der 5 Wohngruppen, dem Team der Hauswirtschaft & Haustechnik, dem Team der Verwaltung & Fachdienstes werden in Form von Multimedia-Collagen den Künstlern vorgestellt und unter der künstlerischen Leitung des Künstlerduos werden die Beiträge zu einem Gesamtkunstwerk zusammengefügt.

Durch die Teilhabe am Entstehungsprozess des Kunstwerks können die Bewohner*innen und Mitarbeitende des Kinderheims Ausdruck finden und ihren individuellen Beitrag am Gesamtwerk leisten. Die 37 Bewohner*innen können die beiden Künstlern bei der Umsetzung der Fassadenkunst beobachten und im Rahmen weiterer Angebote für die Kinder und Jugendlichen im Garten sich in Imitation üben und vielleicht nachhaltig Inspiration finden. 

Das Projekt hat im April mit einem ersten Kennenlernen der Künstler begonnen. Die Fassadenkunst wurde im Zeitraum zwischen 14.06.2022 und 23.06.2022 im Rahmen einer Künstlerresidenz realisiert. 


 

Presse 

www.sueddeutsche.de/muenchen/dachau/inklusion-die-wiege-strahlt-bunt-1.5613397

 

Über die wiege

Die wiege ist ein heilpädagogisches Kunderheim mit Sitz in Odelzhausen. Ein Team von über 80 Mitarbeitenden bietet 37 Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit geistigen, körperlichen und mehrfachen Behinderungen vom Säuglingsalter bis zum Ende ihrer Schulzeit in fünf familienorientierten Wohngruppen in vier Wohnhäusern ein Zuhause. Zielsetzung der wiege ist die individuelle, bedarfsgerechte und ganzheitliche Förderung, Bildung und Erziehung, Pflege und Betreuung der Kinder und Jugendlichen auf Grundlage der UN-Kinderrechtskonvention und eines Schutzkonzepts. Die wiege wurde 1966 gegründet und ist in privater Trägerschaft von der Tochter und dem Enkel der Gründerin. 

Statement von Phillipp Barth, Enkel der wiege Gründerin und Projekt-Initiator:.

„Durch das Kunstprojekt können die vielen Emotionen, welche in der wiege stattfinden, nach außen getragen und mit der Öffentlichkeit geteilt werden. Die als Fassadenbilder gefassten Stimmungen der wiege-Bewohner*innen werden so Teil des öffentlichen Raums und gestalten diesen mit. Als visuelles Sprachrohr dient die Fassadenkunst der Kommunikation mit der direkten Umwelt und bietet der wiege die Chance, auch Teil des öffentlichen Lebens zu sein – zumindest visuell. Im Idealfall gelingt es so, Berührungsängste abzubauen und inklusive Teilhabe zuzulassen. Mitwirkende können zudem vielleicht auch nachhaltig Inspiration finden und selbst in den Genuss therapeutischer Wirkungen des künstlerischen Ausdrucks finden, auch über den Zeitraum des Projekts hinaus.“

 

Über 44flavours

Als Künstlerduo 44flavours arbeiten Sebastian Bagge und Julio Rölle seit 2003 zusammen. Ihre künstlerische Tätigkeit umfasst Malerei, Keramik, Skulpturen, Drucke und Objekte. Dabei kann der Malgrund ein Stück Pappe, Stein oder Holz sein, eine Vase vom Flohmarkt oder eine Mauer irgendwo auf der Welt. Der Gestaltungswille von 44flavours bezieht die unmittelbare Umgebung genauso natürlich mit ein wie die klassische Leinwand und offenbart den Drang des Duos, sich die Welt und alles Bestehende anzueignen. Ihre Kunst ist unverstellt, unmittelbar und intuitiv: Mit kräftigen Farben kreieren 44flavours einen poppigen Malerei-Mix aus räumlichen Andeutungen, Op-Art, Figuration und Zeichen. Nebeneinander kombinieren sie Stile, Perspektiven, Illusionen – was zu einer Betrachtung mit sprunghaften Entdeckungen führt. Dieser Mix ist das Ergebnis des Arbeitsprozesses, den man sich als Aktion – Reaktion zwischen den beiden Akteuren vorstellen kann. Dabei ist jeder Schritt eine Resonanz auf die vorangegangene Handlung des Anderen. In einem quasi fortwährendem, kreativen Prozess ver- und bearbeiten sie spontan auch zufällig zur Verfügung stehende Materialien. Während die Malerei auf Leinwand mit verschiedenen Perspektiven und Raumillusionen spielt, fungieren die Objekte und Skulpturen wie eine Inbesitznahme von Raum. Aneignung und Verortung: Es ist die Vielfalt der künstlerischen Manifestationen (im öffentlichen Raum, in der Malerei, in der bildhauerischen Arbeit), die zeigt, dass es 44flavours um eine Haltung zum Leben geht. Jede aneignende Aktion an jedem Tag und jedem Ort der Welt stellt aufs Neue die Frage nach dem Wo und Wie, nach persönlicher und sozialer Identität und Verankerung in dieser Welt. Text: Elke Giffeler -

Artist Statement:

„Wir sehen das Potenzial eines Raumes, einer Leinwand oder eines Objekts. Jede Oberfläche bietet die Möglichkeit sie neu zu denken, bzw. sie mittels Malerei umzudefinieren.“